Der Wecker hat schon lange geklingelt, wieder einmal haben alle Familienmitglieder verschlafen. Jetzt muss es schnell gehen. Und das auch, wenn das Kind eigentlich jetzt lieber mit Legos spielen will und sich vor dem Anziehen drückt. Chaos und Stress im Familienalltag. Gibt’s manchmal, zum Glück nicht immer.
Gerade in stressigen oder ungewohnten Situationen bewähren sich Strukturen und Regeln in der Familie. Sie bieten in turbulenten Momenten Orientierung, um Ruhe zu bewahren und Herausforderungen zu bewältigen. Grenzüberschreitungen sind Teil der Erziehung. Denn schliesslich gehört das Testen der elterlichen Grenzen zur gesunden Entwicklung des Kindes dazu.
Mit einer Prise Humor umgesetzt, können Regeln das Kind in seiner individuellen Entwicklung unterstützen und dabei helfen, den Familienalltag angenehm zu gestalten sowie den Zusammenhalt zu stärken. Sodass Eltern und Kind ein freudiges und motivierendes Miteinander erleben können.
Als Inspiration für Familienstrukturen und -regeln haben wir hier einige Tipps zusammengestellt.
Struktur vermittelt Kindern Sicherheit
Auch wenn es nicht immer den Anschein haben mag. Jede Familie hat Strukturen, Abläufe und Rituale. Diese werden nicht nur von der Familie selbst, sondern beispielsweise auch von externen Faktoren wie dem Arbeitgeber und wenn die Kinder ins schulpflichtige Alter kommen, von der Schule geprägt. Abläufe wie Aufstehen, Krippe-, Kindergarten- oder Schulbesuch sowie gemeinsames Abendessen und das Einschlafritual sind Teil davon. Auch andere regelmässige Aktivitäten einzelner oder aller Familienmitglieder sowie Geburtstage, Feste und Ferien prägen den Familienalltag.
Familienstrukturen und Rituale sind wichtig für die Entwicklung der Kinder, helfen aber auch Erwachsenen, den Alltag stressfrei zu gestalten. Sie vermitteln Sicherheit und bilden Vertrauen. Wiederkehrende Abläufe helfen Kindern, sich zu orientieren. Da sie noch kein Zeitgefühl haben, helfen ihnen repetitive Abläufe, um zu verstehen, was als Nächstes kommt. Und sind Kids besser auf das vorbereitet, was kommt, machen sie in der Regel auch besser mit. Zudem setzen Strukturen Leitplanken und geben gleichzeitig Raum, um Neues zu lernen und auszuprobieren. Ein klarer Orientierungsrahmen fördert ein gelungenes Miteinander in der Familie und der Gesellschaft.
Struktur geschieht aber nicht einfach, sondern kann gezielt gefördert werden. So können Kinder etwa bewusst wiederkehrende Aufgaben wie Tischdecken, Katze füttern oder Wäsche zusammenlegen übergeben werden. Das macht dem Kind Spass und fördert sein Selbstbewusstsein. Kleine Rituale wie die Gute-Nacht-Geschichte, das gemeinsame Singen vor dem Essen oder der gesunde Snack um 16 Uhr unterstützen die Kleinsten in ihrem Alltag.
Sinnvolle Regeln für ein harmonisches Familienleben

Familienalltag kann herausfordernd und anstrengend sein. Familienregeln, die für alle gelten, können sich dabei positiv auf die Erziehungsarbeit auswirken. Die Regeln können helfen, Missverständnissen vorzubeugen und den Kindern Orientierung sowie Sicherheit bieten. Die Kinder lernen durch das Befolgen der Abmachungen, dass sie für das Gelingen eines angenehmen Familienalltags mitverantwortlich sind. Und damit die Familienregeln auch durchsetzbar sind, sollten sie auf ein paar wenige beschränkt werden.
Natürlich gibt es Regeln, auf die zum Schutz des Kindes nicht verzichtet werden darf. So müssen sich Kinder im Strassenverkehr jederzeit an Abmachungen halten, da ein Nichtbefolgen schwerwiegende Folgen haben kann. Flexibler wirds dann, wenn es darum geht, wer bei welchen Arbeiten im Haushalt hilft, wann die Hausaufgaben gemacht werden oder es Zeit fürs Bett ist. Denn wie sagt ein Sprichwort so schön: Keine Regel ohne Ausnahme.
Mögliche Inhalte von Regeln für einen positiven Familienalltag:
- Gegenseitiger Respekt und Umgang mit Konflikten
- Gemeinsam Zeit verbringen und Miteinander etwas Grossartiges erleben
- Vertrauen stärken durch Offenheit und Ehrlichkeit
- Mithilfe im Haushalt
- Nutzung von Fernseher und Computer
- Hausaufgaben und Freizeit
Regeln sollten unbedingt mit den Kindern gemeinsam gestaltet und besprochen werden. Sie unterscheiden sich bei jeder Familie, sind sie doch individuell und persönlich. Wenn sich alle Familienmitglieder auf einige Regeln einigen, können sich Eltern mühsame Diskussionen ersparen.
Positiv statt negativ: So formuliert ihr richtig
In der Kommunikation mit deinem Kind sind der Ton, die Formulierung und die innere Haltung ausschlaggebend. So wirken positive Aufforderungen anspornend und Drohungen demotivierend. Natürlich ist das einfacher gesagt als getan. Doch mit ein bisschen Übung gelingt das schrittweise besser.
Das allerwichtigste aber ist, dass Eltern ihre Grenzen klar aufzeigen, ohne Verbote, jedoch im Dialog mit dem Kind und durch deutliche Ich-Botschaften. Beispielsweise wenn das Kind unbedingt eine Schokolade aus dem Süssigkeitenregal im Supermarkt will, die Eltern aber grundsätzlich dagegen sind. Ein klares „Nein“ hilft, und wenn sich das Kind auf den Boden wirft und schreit, egal. Konsequent angewandt wird das Kind spätestens nach dem x-ten Mal realisieren, dass da wirklich nichts zu machen ist und dass dies eine Grenze der Mutter oder des Vaters ist.
Die bekannte Diplom-Pädagogin Katia Saalfrank ist überzeugt, dass mit Kindern gleichwürdig kommuniziert werden sollte. Eltern sollen authentisch sein und zeigen, wo ihre Grenzen liegen und das Mitteilen dieser Bedürfnisse auch dem Kind zugestehen. So entsteht Vertrauen und Verlässlichkeit bei Eltern und Kind. Denn Kinder benötigen gemäss Saalfrank in erster Linie Beziehung. Je gefestigter und klarer das Vorbild, desto einfacher fällt es dem Kind in die Eigenverantwortung zu wachsen.
Bestrafung, oder nicht? Was sollten die Konsequenzen sein?
Bestrafungen wirken demotivierend und können vom Kind in der Regel auch nicht nachvollzogen werden. Konsequenzen, die als logische Folge einer Handlung gezogen werden, sind hingegen für ein Kind besser zu verstehen. So kann ein Nachmittags-Snack erst stattfinden, wenn das Zimmer aufgeräumt ist; oder wenn das Kind auf dem Nachhauseweg trödelt, fehlt folglich die Zeit z. B. fürs Fernsehen.
Bei der Durchsetzung von Familienregeln sollte grundsätzlich immer das Gespräch auf Augenhöhe mit dem Kind stattfinden. In diesem Rahmen kann besprochen werden, wieso etwas nicht funktioniert hat und was alle tun können, damit es in Zukunft besser läuft. Eltern werden wahrscheinlich kaum eine Strafe erhalten, wenn sie eine der Familienregeln nicht einhalten. Kinder wollen ein harmonisches Familienleben, schliesslich sind sie soziale Wesen, gleich wie die Eltern.
Kleiner psychologischer Trick: Familienregeln als Gesetze formulieren
Einige Familienexperten sind überzeugt, dass Familienregeln als Gesetze formuliert – wie dies in einem demokratischen Staat, der seine Mitglieder gleichberechtigt behandelt, der Fall ist – dabei helfen, diese umzusetzen.
Kinder können je nach Alter die Konsequenzen unter Anleitung der Eltern selbst festlegen. Diese sollten eine logische Folge eines Handelns oder Nichthandelns sein. Werden die Regeln als Gesetze bezeichnet, hören sie sich offizieller an. So kann z. B. im Familiengesetz der Familie Meier das Meiersche Gesetz Nr. 1 den gegenseitigen Respekt unter den Familienmitgliedern einfordern. Wird dies innerhalb der Familie nicht eingehalten, wird keine Regel gebrochen, sondern ein Gesetz. Je nach Familie kann diese etwas neutralere Bezeichnung helfen, dass sich die ganze Familie daran hält.
Beispiele für die richtige Formulierung
Experten sind sich grundsätzlich einig, dass klare Aussagen der Erwachsenen helfen, einem Kind eindeutige Botschaften zu vermitteln. Bewusst Kommunizieren hilft auch, klar seine Position zu einem Verhalten zu signalisieren. Zudem machen positive Formulierungen Kinder zu selbstbewussten Kindern, denn sie helfen ihnen, lösungsorientiert zu denken und handeln. Positiv zu formulieren, kann nicht über Nacht erlernt, doch bewusst trainiert werden.
Positive Formulierungen spornen an und berücksichtigen bereits die Lösung. Hier einige Beispiele:
Negativ: Nicht Rennen! Es ist rutschig
Positiv: Vorsichtig gehen. Der boden ist rutschig.
Negativ: Geh nicht auf die Strasse.
Positiv: Bleib auf dem Bürgersteig.
Negativ: Fall nicht ins Wasser.
Positiv: Halte dich mit beiden Händen fest.
Negativ: Nicht so laut! Sei still!
Positiv: Bitte leise sprechen. Wir sind in einer Bibliothek.
Negativ: Das ist nicht deine Tasse, stell sie zurück.
Positiv: Ich möchte nicht, dass du diese Tasse benutzt. Nimm bitte die gelbe dort.
Negativ: Komm bitte nicht zu spät.
Positiv: Sei bitte pünktlich.
Negativ: Man soll nicht…
Positiv: Mein Vorschlag ist, …
Negativ: Nein.
Positiv: Ja. Unter der Voraussetzung, dass…
Familienregeln auf Poster farbig gestalten
Damit das Gestalten der Regeln allen Familienmitgliedern Spass macht und sich alle die Abmachungen merken können, kann gemeinsam ein farbiges Poster gebastelt werden. Die Aktivität hilft, sich mit den Regeln spielerisch auseinanderzusetzen und nimmt dem Ganzen ein wenig die Ernsthaftigkeit. Das bunte und grosse Wandbild kann an einem viel frequentierten Ort im Zuhause aufgehängt werden. So werden alle jeden Tag an die Familienregeln erinnert und können sich besser daranhalten. Und sollte es bei einem Konflikt mal schwierig werden, können mithilfe des Posters die Abmachungen besprochen werden.
Auf Augenhöhe mit Kindern kommunizieren

Kinder haben wie Erwachsene auch Bedürfnisse. Diese sollten auf jeden Fall ernst genommen werden. Indem du auf Augenhöhe mit deinem Kind gehst – ja, physisch in die Hocke oder auf die Knie – kannst du faire Voraussetzungen für ein Gespräch schaffen. Mutter und Vater zeigen so, dass sie das Kind und seine Bedürfnisse respektieren. Es entsteht ein Vertrauensraum, der ehrliche und aufmerksame Gespräche zulässt. Durch diese Geste erhalten Eltern auf natürliche Weise ihre Autorität gegenüber dem Kind.
Auf Augenhöhe kommunizieren bedeutet aber nicht nur, sich auf die Höhe des Kindes zu begeben und zuzuhören, sondern auch dem Kind zuzutrauen, dass es in der Lage ist, Entscheidungen zu fällen. So kann zum Beispiel bei kleineren Kindern bereits die Möglichkeit zur Wahl geschaffen werden. So können eine Birne und ein Apfel für die Jause angeboten werden. Das Kind kann entscheiden, was es nehmen möchte. Je älter das Kind, desto grösser die Auswahl. Grundsätzlich gilt: Eine Auswahl anbieten, aber auf zwei bis drei Möglichkeiten beschränken. Sonst kann es schnell zur Überforderung des Kindes führen. Das Vertrauen in die Entscheidungsfähigkeit des Kindes und das respektvolle Kommunizieren können das Einhalten von Regeln zusätzlich erleichtern.
Kinder lernen durch Imitation und von Vorbildern

Regeln und Strukturen werden vor allem auch durch Imitation gelernt. So stehen morgens alle Familienmitglieder im Badezimmer und putzen sich die Zähne. Schon die Kleinsten wachsen so natürlich in diese Aktivität rein. Wenn Eltern sich vor dem Essen die Hände waschen, will der Nachwuchs mit grosser Sicherheit auch mitmachen. Es entsteht keine Diskussion darüber, da es in der Welt der Familie einfach so ist. Kinder imitieren ihre Eltern ständig und übernehmen so auch den Wortschatz und Formulierungen. Sagen die Eltern “Danke” und “Bitte” steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder dies übernehmen.
Zögern die Eltern beim Einfordern von Abmachungen zu oft, merken die Kinder das. Unsicherheiten bei den Eltern können auch Unsicherheiten bei den Kids auslösen. Das Wanken bei der Einforderung der Regeln kann dazu führen, dass die Regeln eher getestet werden. Konflikte sind vorprogrammiert. Bleiben die Eltern hingegen freundlich und bestimmt ihrer Linie treu, spüren das die Kinder und übernehmen diese Haltung.
Humor und Nachsicht helfen, wenn’s mit den Regeln mal nicht klappt
Und zu guter Letzt sollte auch das Lachen nicht zu kurz kommen. Bei aller Disziplin, die das Einhalten von Regeln und auch der Struktur verlangt, mit ein wenig Humor geht alles gleich viel einfacher. So kann ein Schmunzeln schon mal eine verfahrene Situation entspannen. Manchmal hilft es nur schon, das Absurde eines Konfliktes zu sehen und darüber zu lachen. Denn in der Hitze des Gefechts wirds manchmal dann doch zu ernst und mit einmal tief durchatmen und einem lustigen Spruch kann Spannung durchbrochen werden.
Wichtig dabei ist, nicht über den anderen zu lachen, sondern miteinander. Denn sonst kann es schnell herabwürdigend wirken.
FAQ

Credit: Jonathan Borba/Unsplash
Welche Regeln sind allgemein fürs familiäre Zusammenleben wichtig?
Es braucht eigentlich nicht viele Regeln, um das Familienleben harmonisch zu gestalten. Konflikte gehören dazu und ermöglichen dem Kind die Auseinandersetzung mit sich und seinem engen Umfeld.
Am wichtigsten ist, dass sich jedes einzelne Familienmitglied respektvoll gegenüber den anderen verhält, zuhört und seine eigenen Bedürfnisse ehrlich äussert. So wird ein Raum des Vertrauens geschaffen, in dem jeder einzelne wachsen kann.
Was sind die Vorteile von Regeln?
Familienregeln aufstellen und diese auch durchsetzen erfordert Zeit. Im Familienalltag ist diese oft knapp, dennoch sollten Eltern sich bewusst Zeit nehmen, um mit ihren Kindern Gespräche zu führen. Um an die Regeln mithilfe des Posters zu erinnern und diese auch zu üben, soll genügend Raum gegeben werden. Das erfordert Disziplin von der Erziehungsperson, denn hält sich niemand an das, was besprochen wurde, nützen auch die besten Regeln nichts. Eltern sollten sich auch bewusst sein, dass sie jederzeit Vorbild sind.
Klappt das alles gut, bieten Regeln und Familienstruktur nur Vorteile: Weniger Streit, mehr Gespräche, Vertrauen und sich wohlfühlen in der